Elga Roellecke, Glaube und Visitation. Kirchliches Leben
in einem badischen Dorf. Chronik Wolfartsweier Heft 7. Selbstverlag
des Geschichtsvereins 2006, 325 S., ISBN 3-932441-07-9,
Eur 22,–
In der bisher schon eindrucksvollen Chronik nimmt dieser
umfangreiche Band eine besondere Stelle ein. Zum einen durch
das auch hier von Hansmartin Schwarzmeier verfaßte Eingangskapitel
„Glaube und Herrschaft“, wo das Dorf und seine Kirche zwar
lokal bezogen, aber im allgemeinen Zusammenhang für Mittelalter
und Reformation mit vielen farbigen Faszetten dargestellt
wird, ein faszinierender Abschnitt von Kulturgeschichte,
der allein schon in seiner Dichte die Lektüre lohnt.
Zum anderen hat Elga Roellecke, wie das Quellenund Literaturverzeichnis
erkennen läßt, nicht nur umfangreiches Material sorgfältig
durchgearbeitet, sondern auch eine Gliederungsform gefunden,
die den faktenreichen Stoff aufschließt. In 30 Kapiteln
werden Vorgänge chronologisch aufgelistet, sodass je nach
Interesse man gleich einen Bezugspunkt findet und zum Weiterlesen
verlockt wird, ob zur Position der Pfarrer, dem Konfirmationsuntericht,
dem Kirchenbau oder anderem.
Dennoch bestimmen einige Grundthemen den Text, den die
Autorin engagiert und nicht nur als Chronistin gestaltet.
Da ist zum einen der schon seit 1800 beginnende geistige
Säkularisierungsprozess, der später durch die Einbeziehung
in den Großraum Karlsruhe noch verstärkt wird. Zum anderen
erfährt man viel von den Eingriffen und der Auseinandersetzung
mit dem Nationalsozialismus. Im Mikrokosmos eines Dorfes
spiegelt sich das nationale Schicksal in kleinen Episoden,
das Gegenüber von „Deutschen Christen“ und „Bekennder Kirche“,
die kirchenfeindliche Propaganda lokaler Funtionsträger.
Doch auch die materiellen Voraussetzungen für ein Gemeindeleben
deuten auf den Alltag, der über den großen Ereignissen oft
in den Hintergrund gerät und doch das Leben von Generationen
bestimmt. Neben der vorherrschenden evangelischen Kirche
werden auch die katholische Kirche und andere Gruppen dargestellt.
Natürlich ist eine solche Chronik auch ein Nachschlagewerk.
Die besondere Leistung der Autorin, der dynamischen Kraft
des Geschichtsvereins, besteht darin, das Dorfleben in vergangenen
Zeiten so auszubreiten, dass heutige Bewohner sich angesprochen
fühlen, ja nach Grundwerten fragen. So ist also ein Buch
entstanden, das über das Beobachten hinaus zum Nachdenken
anregt, ein Glücksfall für eine dörfliche Lokalgeschichte,
wenn man es mit vielen anderen strohtrockenen Darstellungen
vergleicht.
Leonhard Müller
Bestellungen bei Frau Elga Roellecke, Kreuzackerstraße
8, 76228 Karlsruhe
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