Schon wieder oder noch ein Buch über Baden und/ oder seine
Geschichte(n)? Sind nicht neben den Standardwerken (Hug u. a.)
in den letzten Jahren reichlich Bücher zur Geschichte oder
als Geschichten zu diesem Land veröffentlicht? Ist nicht
alles schon gesagt? Ja und nein, aber auf das Wie kommt es an!
Ja: wenn man sieht, dass auch hier die Geschichte, wie man so
sagt, bei Adam und Eva beginnt und nicht bei den eigentlichen
oder vermeintlichen Ahnen; und Nein: wenn man sieht, wie sie
erzählt wird, leicht und locker, kurzweilig und unterhaltsam
für ein Laienpublikum, das sonst einen weiten Bogen macht
um historische oder gar wissenschaftliche Werke. Und so beginnt
alles bei einem gewissen Daniel Hartmann, der vor etwas über
100 Jahren den »Adam« gefunden zu haben glaubte,
als er einen Unterkieferknochen in einer Sandgrube bei Mauer
in der Nähe von Heidelberg entdeckte, der später als
Homo Heidelbergensis als seinerzeit frühester nachgewiesener
Urmensch in die Geschichte einging. Aber wahre Geschichte entsteht
nicht (nur) aus Geschichten, sondern dokumentiert sich aus belegten
Urkunden. Zwar wusste man in Baden immer, dass der mit dem Bart,
den man Berthold I. von Zähringen nannte, gemeinsamer Ahne
derer von Zähringen und Baden war. Aber erst seinem Enkel
war es beschieden, durch eine kaiserliche Urkunde Heinrich V. – und
da hatte man das Glück, dass dieser gerade ein Jahr zuvor
in Rom zum Kaiser gekrönt worden war – mit dem Namen »Baden« amtlich
verbunden zu werden.
Sein Großvater erhielt von Kaiser Heinrich III. das Herzogtum
Kärnten, verbunden mit der Mark Verona. Dessen ältester
Sohn übernahm als Berthold II. den Herzogtitel und baute
die namensgebende Burg Zähringen bei Freiburg sowie die
Grablege St. Peter im Schwarzwald. Der 2. Sohn erhielt als Hermann
I. den Titel eines Markgrafen von Verona. Dieser durchkreuzte
allerdings die machtpolitischen Pläne seines Vaters, verließ 1073
Frau und Kind und zog sich als in Armut lebender Mönch zurück
ins burgundische Kloster Cluny, wo er allerdings ein Jahr darauf
starb. Sein Sohn, ein Kind noch, hatte es schwer, später
als Hermann II. seine Erbansprüche durchzusetzen, aber mit
Hilfe seines Onkels wurden ihm verschiedene Besitzung in Obhut
gegeben, darunter das ehemals römische Aquae Aurelia, das
wir als Baden-Baden kennen. Hier ließ er die Burg Hohenbaden
erbauen, nach der sein Geschlecht benannt wurde. Und jetzt kommt
die Urkunde ins Spiel, die Geschichten zur Geschichte macht,
und in der Hermann II. am 27. April 1112 erstmals Hermannus Marchio
de Badun als »Markgraf von Baden« erwähnt wird,
was seitdem als Geburtsjahr der Markgrafschaft und des Hauses
Baden gelten darf. Dieses Ereignis ist auch der Grund, weshalb
in diesem Jahr zu dem 900sten Jahrestag allerorts in Baden Feierlichkeiten
stattfinden.
Mit diesen spannenden Geschichten beginnt das Buch, und so geht
es weiter mit der Schilderung wie aus dem territorialen Flickenteppich
das Großherzogtum Baden – von Napoleons Gnaden – entsteht,
nach Beendigung der großherzoglichen Macht der Freistaat
Baden und schließlich durch des Volkes Stimme der Südweststaat
und das heutige Bundesland Baden-Württemberg, wo sich die
unterschiedlichsten Menschen zusammengefunden haben. Alles wird
spannend erzählt, sodass, wenn man beim Unterkiefer von
Mauer beginnt, es einen nicht mehr los lässt, das Buch wie
einen Roman von Anfang bis Ende durchzulesen, und sich nicht,
wie sonst meist bei einem Geschichtsbuch, einzelne Kapitel herauszupicken.
Weit spannt sich der Bogen von den Alemannen bis zur Kurpfalz,
vom Hotzenwald bis zum Rheintal, dort wo die unterschiedlichsten
Badener die erste Universität in Deutschland gründeten
auch die erste Technische Hochschule, das erste Parlament ins
Leben riefen, das erste Mädchengymnasium schufen, mit dem
ersten Auto über die Straßen rollten und schließlich
auch den ersten Grünen Ministerpräsidenten wählten.
Diesen Bogen so weit und so unterhaltend gespannt zu haben,
ist natürlich das Verdienst der Autorin, die in 3-facher
Hinsicht prädestiniert dazu zu sein scheint: erstens ist
sie in Baden geboren, zwar keine Urbadnerin, da Bruchsal erst
spät einverleibt wurde, zweitens hat sie Geschichte studiert
und ist somit vertraut mit den Fakten und schließlich hat
sie als Redaktionsleiterin der Zeitung »Der Sonntag«,
der Sonntagsausgabe der Badischen Neuesten Nachrichten, journalistische
Erfahrung, wie man einem breiten Publikum komplizierte Verhältnisse
darstellt und schmackhaft macht. Dabei verzichtet sie bewusst
auf den wissenschaftlichen Apparat der Fußnoten – weshalb
man allerdings auch nicht alle Geschichten nachprüfen kann! – aber
sie erschließt ihr Werk – und das ist bei solchen
Büchern äußerst selten und deshalb besonders
lobenswert – durch ausführliche Register mit 3–400
Eintragungen bei einem Orts- wie auch bei einem Personenregister.
Dazu ist weiter eine 4-seitige Zeittafel beigegeben wie auch
jeweils eine Liste der Großherzöge und der Staats-
und Ministerpräsidenten nach 1918 bis heute! Schön
wäre es noch gewesen, wenn man die eine oder andere Stammtafel
vorgefunden hätte, es hätte sicher die Übersicht
noch weiter erleichtert. Über die Auswahl von Abbildungen
lässt sich immer trefflich streiten.
So sind die Schlösser von Karlsruhes Umgebung, wie Rastatt,
Baden-Baden und Bruchsal abgebildet, das von Karlsruhe fehlt
seltsamerweise ebenso wie das von Mannheim und andere, ebenso
auch ein Bild des 1. Parlamentsgebäudes in Deutschland,
das 1822 bezogen wurde. Weiter wird Friedrich II. im Bild festgehalten,
aber der bedeutendere Friedrich I. erscheint nur in einer Gruppe
auf einem Denkmalrelief. Ferner sind alle Abbildungen konsequent
schwarz-weiß, was ein wenig trübe wirkt. Etwas mehr
Farbe hätte hier mehr Erhellung gebracht, zumal zahlreiche
Abbildungen qualitativ schlecht wiedergegeben sind.
Das sei aber auch die einzige Kritik an einem Buch, das aus
gegebenem Anlass zur rechten Zeit erscheint und als lesbare und
verständliche Geschichte sich neben den Standardwerken behaupten
und sicher viele Freunde finden – und hoffentlich auch
in allen badischen Öffentlichen Bibliotheken vorhanden sein
wird.
Rolf Fuhlrott
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