Grünewald
und seine Zeit
Große Landesausstellung Baden-Württemberg
8.12.2007 - 2.3.2008
Matthias
Grünewald (1475/80-1528) zählt zu den großartigsten, geheimnisvollsten
und wirkmächtigsten Künstlern der europäischen Kunstgeschichte
um 1500. Ihm und einigen seiner Zeitgenossen ist nun vom
8. Dezember 2007 bis 2. März 2008 in der Staatlichen Kunsthalle
Karlsruhe eine Große Landesausstellung unter der Schirmherrschaft
von Bundespräsident Horst Köhler gewidmet. Mit rund 160
Werken ermöglicht die Ausstellung "Grünewald und seine Zeit"
eine Zusammenschau seines singulären Schaffens mit Arbeiten
anderer hochrangiger Künstler jener Epoche und eröffnet
damit einen neuen Blick auf die anrührend expressive Qualität
von Grünewalds Werk und auf dessen wegweisende künstlerische
Erneuerungskraft.
Grünewald
(eigentlich Mathis Gothardt Neithardt) war in Aschaffenburg,
Mainz, Halle und in Isenheim tätig und arbeitete unter anderem
für Kardinal Albrecht von Brandenburg. Seine Biographie
liegt zu weiten Teilen im Dunkeln. Von den wenigen erhaltenen
Werken des Meisters - bekannt sind lediglich rund 25 Einzelkompositionen
und etwa 35 Zeichnungen - besitzt die Staatliche Kunsthalle
Karlsruhe allein vier Gemälde und darüber hinaus die Zeichnung
eines gekreuzigten Christus. Damit verfügt sie über den
bedeutendsten Bestand an Werken Grünewalds in einem deutschen
Museum.
Die
Ausstellung beleuchtet erstens, wie Grünewald die Anfang
des 15. Jahrhunderts in den Niederlanden zu einer frühen
Blüte gebrachte Ton-in-Ton-Malerei einsetzte und variierte.
Den Auftakt der Schau bildet eine Sensation: Erstmals seit
ihrer Trennung im 18. Jahrhundert werden die beiden Karlsruher
Heiligen-Grisaillen des Heller-Altars mit ihren im Frankfurter
Städel befindlichen Pendants mit der Darstellung der männlichen
Heiligen Cyriakus und Laurentius öffentlich vereint zu sehen
sein. Der Frankfurter Kaufmann Jakob Heller gab das Retabel
1507 bei Albrecht Dürer in Auftrag, der die Mitteltafel
schuf. Nach 1509 wurde es von Grünewald um die beiden Standflügel
ergänzt. Neben Gemälden fand die Grisaille-Malerei um 1500
auch in gehöhten Zeichnungen, Clair-obscur-Drucken, Scheibenrissen
und Glasfenstern in der deutschen Kunst ihren verwandelten
und großartigen Widerhall. Im ersten Sektor der Ausstellung
werden deshalb weitere Werke verschiedenster Gattungen gezeigt,
die vom inhaltlichen Facetten- und formalen Nuancenreichtum
der Ton-in-Ton-Malerei zeugen.
"Grünewald
und seine Zeit" widmet sich zweitens dem bewegenden Thema
der Passion Christi, das der Künstler wiederholt mit bis
heute bezwingender, dramatisch wirkender Intensität und
einer teilweise kühnen Innovationskraft ins Bild setzte.
Seine Werke reflektieren nicht nur die zeitgenössische Passionsfrömmigkeit,
eine Umbruchphase der Religions- und Geistesgeschichte,
über die diese Ausstellung auch anhand von Passionstraktaten,
Gebetbüchern und Meditationsschriften Aufschluss gibt, sondern
sie wurden zu zeitlosen Inbildern existenziellen Leidens,
die Menschen seit Jahrhunderten ergreifen. "Mit seinen Farbenfanfaren,
seinen tragischen Aufschreien, mit seinen gewalttätigen
Apotheosen und wahnwitzigen Beinhausvisionen beschlagnahmt
und bezwingt er uns; verglichen mit diesem Tosen, dieser
Unbändigkeit erscheint alles andere tonlos und fade," schrieb
der französische Dichter Joris Karl Huysmans im Jahr 1905
über Grünewalds Kunst - und weiter: "Man begreift nun, warum
Grünewalds Name nicht wie der Holbeins, Dürers und Cranachs
auf den Bestellungs- und Zahlungslisten der Kaiser und Fürsten
zu finden ist. Sein Christus der Aussätzigen hätte den höfischen
Geschmack verletzt; er konnte nur von den Kranken, den Verzweifelten
und den Mönchen, von den leidenden Gliedern Christi, verstanden
werden."
In ihrem
letzten Teil gewährt die Ausstellung einen hochinteressanten
Einblick in den Verlauf der durch ausführliche Forschungen
vorbereiteten, akribischen Restaurierungsarbeiten der "Kreuztragung"
des Tauberbischofsheimer Altars, die vor einigen Jahren
begonnen wurden und wohl noch einige Jahre andauern werden.
Die teilrestaurierte Tafel lässt schon heute erahnen, dass
manche Details von Grünewalds hoch differenzierter Malkunst
Jahrhunderte lang unter Verschmutzungen und Retuschen verborgen
waren und dass die originale Farbigkeit von weit höherer
Strahlkraft und Brillanz war, als es der uns bisher bekannte
Zustand annehmen ließ.
Das
Unterlindenmuseum in Colmar, das Grünewalds "Isenheimer
Altar" beherbergt, zeigt zeitgleich die Ausstellung "Grünewald
- Blicke auf ein Meisterwerk", eine in jahrelanger Zusammenarbeit
mit der Staatlichen Kunsthalle konzeptionell eng auf die
Karlsruher Präsentation abgestimmte Schau. Während in Karlsruhe
die herausragende Stellung des Meisters in seiner Zeit thematisiert
wird, konzentriert sich die Ausstellung in Colmar auf die
Entstehung des Isenheimer Altars. Als dritter Partner wird
das Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen Preußischer
Kulturbesitz in Berlin vom 13. März bis 1. Juni 2008, also
im Anschluss an die Ausstellungen in Karlsruhe und Colmar,
erstmals das gesamte zeichnerische Werk Grünewalds präsentieren.
Diese Ausstellungstrias wird sich zu einem ästhetischen
Panorama einer kunsthistorischen Epochenwende runden, in
dessen Zentrum die Leistungen eines bis heute faszinierenden
Genies stehen.
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