Mit dem Ende der analogen Pressefotografie haben das Haus
der Photographie und der benachbarte SPIEGEL-Verlag gemeinsam
ein neues Konzept für nahezu drei Millionen Schwarz-Weiss-Abzüge
und Diapositive gefunden. Während die aktuelle Arbeit mit
dem gedruckten Bild ausschließlich mit digitaler Hard-und
Software erledigt wird, kann man hier in den Räumen der benachbarten
Speicherstadt, die Abzüge des analogen Fotografie-Zeitalters
studieren und die Geschichte der Pressefotografie nachvollziehen.
Das Bildarchiv steht allen Personen offen, die sich für zeitgeschichtliche
Fotografie in ihren vielfältigen Formen interessieren, sei
es für wissenschaftliche, publizistische oder künstlerische
Zwecke. Das Archiv ist auschließlich für Recherchen nutzbar
und steht nicht für kommerzielle Nutzungen zur Verfügung.
Bilder können nur in Ausnahmefällen ausgeliehen werden. Besuchstermine
und Führungen sind schriftlich oder telefonisch zu vereinbaren.Inhalt
des Archivs: Personen (ca. 150.000): - Alle Personen der
Zeitgschichte - Alle Personen aus SPIEGEL-Artikeln Sachgebiete: -
Länder von A-Z - Deutschland
- Kultur (deutsche Geschichte, internationale Geschichte,
Medien, Theater, Musik, Bildende Künste)
- Wissenschaft und Technik - Sport Ebenso wie das
Medium der Fotografie befinden sich fotografische Archive
derzeit in einem epochalen Wandel. Mit dem Übergang von chemischen
zu elektronischen Bildträgern verschieben sich nicht nur die
Verfügbarkeit, die Transportierbarkeit und die Manipulierbarkeit
fotografischer Bilder, auch ihre Archivierung bedarf neuer
Methoden. Im gegenwärtigen Zeitalter der Digitalisierung
werden analoge Archive so gut als möglich in digitale Archive
umorganisiert. Das übrige Material wird in den meisten Fällen
dem unmittelbaren journalistischen Gebrauch entzogen. Zahlreiche
Bestände gehen dabei für immer verloren. Das Bildarchiv des
SPIEGEL ist international gesehen eines der ausführlichsten
seiner Art. Es enthält etwa 3 Millionen schwarzweiss-Abzüge
und mehrere hunderttausend Diapositive aus dem Bereich der
Pressefotografie. Zusammengetragen wurde es zwischen 1948
und 2000 und stellt solcherart eines der wichtigsten und umfassendsten
visuellen Dokumente der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts
dar. Das Material unterscheidet sich nachhaltig von einem
Archiv des Tagesjournalismus, da es häufig spezielle Recherche
zur Grundlage hat. Es ist aufgrund der Tatsache, dass viele
Fotografien im Zuge einer journalistischen Investigation in
das Archiv fanden, in gewisser Weise einzigartig und allenfalls
vergleichbar mit den wenigen großen internationalen Zeitschriften,
die eine gleiche politisch-gesellschaftliche, aufklärerische
Aufgabe verfolgen. Die Physis der Bilder, von Vintage Prints
über verrauschte Funkbilder auf Barittpapier, minderwertigen
Mehrfachduplikaten und Thermosublimationsdrucken zu Farbdiapositiven,
gibt mit ihrer Oberfläche Auskunft über die journalistische
und reproduktionstechnische Arbeit, die über fünfzig Jahre
hinweg mit diesen Bildern bewerkstelligt wurde. Dem entspricht
auf der formalen Seite, dass das Bildarchiv des SPIEGEL keiner
fotostilistischen Glaubensrichtung gehorcht. Es spiegelt die
gesamte Bandbreite wieder, mit der Fotografie betrieben wurde,
vom offiziellen Bild einer politischen Bildstelle bis zur
fotojournalistischen Reportage und zu Amateur- und Dienstaufnahmen
von öffentlichem Interesse. Zu den jeweiligen Recherchen gehören
auch von Privatpersonen gemachte Amateurfotos. Dieses Archiv,
welches auf der intensiven Recherche von hunderten von SPIEGEL-Redakteuren
über fünfzig Jahre hin angesammelt worden ist, wird in dieser
Form nie wieder entstehen. Obgleich es sich um ein Medium
der Reproduktion handelt, ist es paradoxerweise nicht reproduzierbar.
Das visuelle Gedächtnis in Form von schwarzweissen Fotoabzügen
und farbigen Diapositiven ist in dieser Form nicht mehr anders
greifbar und nicht mehr erneuerbar. Insofern stellt das Archiv
nicht nur aus zeitgeschichtlichen, sondern in erster Linie
aus kulturgeschichtlichen Erwägungen einen hohen Wert dar.
Für die meisten Besitzer sind die physischen Archive der
Fotografie heute ein räumliches, logistisches und finanzielles
Problem. Insofern sind derzeit viele Schwarzweiss-Archive
in ihrem Bestand gefährdet, wenn sich nicht eine öffentliche
Institution ihrer annimmt. Der Leihgabe des Bildarchivs des
SPIEGEL an das Haus der Photographie in den Deichtorhallen
kommt damit eine richtungsweisende Pilotfunktion zu. Mit dieser
Entlassung aus dem ursprünglichen Zweck eröffnet sich aber
auch die Möglichkeit, sie neu zu bewerten und zu verwenden.
Das Projekt "Bildarchiv des SPIEGEL" in den Deichtorhallen
Hamburg setzt sich das Ziel, diese Aufgabe im Dialog von bildenden
Künstlern und Fotografen, Bildredakteuren und Theoretikern
des Bildes und der Kunst- und Bildgeschichte zu bewältigen.
Der Bestand aus dokumentarischen Fotografien aller Art aus
der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wird nunmehr für Wissenschaftler
und Künstler als kreatives Material zugänglich. Nicht von
ungefähr haben auch die freien Künstler schon seit Jahren
die Fundgrube "Bildarchiv des SPIEGEL" entdeckt, zumal sie
völlig entgegengesetzt zu den zeitgeschichtlichen Kriterien
und davon losgelöst gesellschaftliche und kulturelle Zusammenhänge
entdecken, die im Archivbestand dokumentiert und verborgen
sind. Die Fülle der Bilder, entfaltet im Kontext eines jungen
Ausstellungshauses der Fotografie eine zusätzliche Kraft.
Anders auch als in jeder fotografiehistorischen Sammlung,
wurde für die Konstituierung dieses Bildarchivs keine ästhetische
Auswahl getroffen. Der nichtintentionale Charakter dieses
Archivs dokumentiert in besonderem Masse die einmalige Rolle,
die der Fotografie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts
zukam.
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